Zum Hintergrund
Lange beschäftigte die Zivilsenate des BGH eine Frage: Darf der Auftraggeber vom Werkunternehmer für eine mangelhafte Leistung Schadensersatz in Höhe der Mangelbeseitigungskosten verlangen, obwohl diese (noch) nicht aufgewendet wurden – sprich: fiktiv sind? Darf der Kunde also den Mangel dulden und gleichzeitig den Schaden liquidieren? Vereinzelt ist diese Konstellation unter dem Schlagwort der “schwäbischen Baufinanzierung” bekannt. Menschlich und wirtschaftlich wäre das Resultat, dass der Kunde die Kompensation aufgrund des wirtschaftlichen Minderwerts der Leistung einfach einbehalten darf, nachvollziehbar. Von Theorie und Praxis in der Rechtsprechung ist dieses Thema jedoch seit langem kritisch beäugt.
Was sagt der BGH?
Bereits 2018 setzte der VII. Senat des BGH dieser Praxis für den Werkvertrag ein Ende. Ohne tatsächlich geplante Beseitigung und Wertverlust am Bauwerk sei die Berechnung eines fiktiven Schadens unzulässig. Wesentlicher Anker der Begründung ist das sogenannte Bereicherungsverbot im Schadensersatz. Dieses verbietet, dass durch eine etwaige Kompensation mehr als der Zustand hergestellt wird, wie er ohne das Schadensereignis bestanden hätte (Grundsatz der Naturalrestitution). Werden Kosten ersetzt, die nicht tatsächlich auf die Beseitigung des Mangels verwendet werden, würde dieser Grundsatz umgangen. Der Kunde stünde strenggenommen besser als zuvor.
Weiterhin erlaubt sind demnach die gesetzlich vorgesehenen Instrumente des Vorschusses (§ 637 Abs. 3 BGB), der Minderung (§ 638 BGB) und des Schadensersatzes für Mängel, die tatsächlich beseitigt wurden. Die Kosten müssen in diesem Fall belegt werden. Der V. Senat (Kaufsenat) sah dies für seinen Zuständigkeitsbereich anders. Eine Übertragbarkeit derselben Grundsätze auf das Kaufvertragsrecht scheitere im Wesentlichen an dem hier fehlende Möglichkeit einer Vorschusszahlung. Versagt man dem Käufer wie im Werkvertragsrecht die Möglichkeit, die fiktiven Mangelbeseitigungskosten vom Verkäufer zu verlangen, würde man dem Käufer die Bürde der Vorfinanzierung auferlegen. Aus Sicht des Kaufsenats ist dieses Ergebnis unverhältnismäßig. Die beiden Senate des Bundesgerichtshofs finden somit in diesem Punkt aus nachvollziehbaren Gründen eine unterschiedliche Bewertung für Werk- und Kaufverträge.
Fazit
Die Entscheidungen zeigen abermals, welch beachtliche praktische Tragweite die oftmals nicht ganz einfache Einordnung als Werk- oder Kaufvertrag haben kann.
Unser Rechtsanwalt für Baurecht, Herr Dr. Michael Dimanski, berät Sie hierzu gerne.
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